Autor: Melanie Annaheim
U23-Triathlon-Weltmeisterschaft, Gamagori / Japan
Datum: 10. September 2005
Wetter / Temperatur: Schön, 35 Grad, sehr hohe Luftfeuchtigkeit Distanz: 1’500m Swim / 40km Bike / 10km Run
Ich sitze gerade im Flugzeug von Tokyo nach Zürich und versuche die vielen Eindrücke der letzten 11 Tage auf Papier zu bringen.
Am Montagnachmittag ging die Reise Richtung Ferner Osten los. Nach einem 12-stündigen Flug, während dem wir meistens schliefen, hatten wir in Tokyo einen Zwischenhalt von 6 Stunden. Als diese endlich durch waren, mussten wir erfahren, dass der Weiterflug nach Nagoya wegen eines Taifuns
(Ausläufer des Hurrikans „Katrina“) gestrichen wurde. Wir bekamen das Geld für die Flugtickets bar in die Hand gedrückt und standen ziemlich ratlos da. Was nun? Wie kommen wir nun an unser Ziel? Und vor allem, wie gefährlich ist dieser Taifun? Normalerweise flüchtet man aus dem gefährdeten Gebiet – wir mussten mitten hin-ein…..
Nach kurzer Besprechung einigte sich unsere 17-köpfige Gruppe auf eine Weiterreise mit dem Zug. Dies tönt jedoch einfacher als es ist.
Erstens hatten alle Athleten zwei Gepäckstücke à mindestens 20kg (1 Tasche + 1 Radkof-fer –> welche meistens sowieso Übergewicht haben) und zweitens waren wir in einem Land mit einer total fremden Sprache und für uns unverständlichen Schriftzeichen. Dazu kommt noch, dass die wenigsten Japaner Englisch sprechen können. Nach einigem Hin und Her hat es unser Nationaltrainer je-
doch geschafft und wir hatten Zugtickets in den Händen.
Nun stand uns eine 4-stündige Zugsreise mit 2x Umsteigen be-vor. Der erste Wechsel war im HB Tokyo. Meine Güte, bis wir wussten, wo unser Gleis ist. Schliesslich ist dieser Haupt-bahnhof nicht zu vergleichen mit dem des kleinen Städtchens Zü-rich ☺! Es gab sehr, sehr viele Gleise auf verschiedenen Stock-werken, und es gab sehr, sehr,
sehr viele Menschen. Schliesslich leben in Tokyo 20 Mio. Menschen, welche hauptsächlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen. In Nagoya angekommen, trafen wir auf Athleten, welche ebenfalls auf den Zug ausweichen mussten. Mit einem Shuttelbus des WM-Organisators wurden wir auf unsere Hotels verteilt. Trotz Sturm fiel ich nach einer ca. 25-stündigen Reise todmüde in das Bett meines Einzelzimmers. Nun galt es sich von der Reise und dem Jet Leg zu erholen und sich an die hohen Temperaturen und die hohe Luftfeuch-tigkeit zu gewöhnen.
Nach einer kurzen Nacht folgte die nächste „Überraschung“. Unser Morgenessen bestand aus kalten Nudeln und Grüntee ☺.
Theoretisch wäre dies ja nicht schlecht, doch da wir uns auf eine Weltmeisterschaft vorbe-reiteten, gingen wir kurzerhand in den nächsten Supermarkt und deckten uns mit Brot und „Müesli“ ein. Auch schon nur ein Besuch im Supermarkt wird in Japan zu einem Erlebnis – es gibt es so viele fremde Speisen und Lebensmittel. An diesem Tag hatten wir noch ein letztes intensiveres Schwimmtraining und eine lockere Radausfahrt.
Mit komischen Beinen lief ich am Donnerstagmorgen vor dem Frühstück los. Mein Ziel war ein nahe gelegener Wald. Schon von weitem hörte ich die fremden Geräusche der Tiere -vor allem das Zirpen der Grillen war sehr laut. Ich möchte nicht wissen, was während diesem Footing alles für Insekten und Tiere über, unter, auf und neben mir krochen und flogen ;-). Am Nachmittag fuhren wir dann das erste Mal ins „Boat Racing“, wo am Wochenende der Wettkampf ausgetragen wurde. Dieses „Boat Racing“ war ein geschlossenes
Station mit einer grossen Tribüne und einem riesigen Wasserbecken, in welchem norma-lerweise Boot-Rennen ausgetragen wurden. Dementsprechend roch auch das Wasser. In-zwischen bin ich mir jedoch solche Kloaken gewöhnt und es macht mir nichts mehr aus dar-in zu schwimmen.
Am Freitagnachmittag wurde ich dann etwas nervöser. Am Athleten-Briefing trafen wir auf alle anderen U23- und Elite-Athleten. Neben den vielen durchtrainierten und definierten Körpern kam ich mir vor wie der grösste Hobby-Sportler!!! Nach dem Briefing holten wir un-sere Startnummern und besichtigten die Radstrecke. Diese war flach, jedoch mit total 177 Kurven (pro Runde zwei 180°-Turns / 40km = 7Runden) geschmückt. Zum Abschluss stürz-te ich mich nochmals in das angenehm warme Benzin-Wasser und holte mir die letzte Wettkampf-Spannung. Nun war ich bereit und konnte das WM-Rennen kaum erwarten!
Nun ist das Rennen bereits einige Tage vorbei. Doch hier ist mein Bericht, den ich einige Stunden danach meine Eltern und Trainern schrieb:
So, nun sitze ich wieder hier und alles ist vorbei. Bin ziemlich k.o. und immer noch voller Emotionen. Habe sehr viel zu erzählen – womit soll ich nur beginnen?
Also, heute Morgen vor dem Rennen habe ich mich ausser beim Laufen sehr gut gefühlt und mich auf das Rennen gefreut. Dies ist bei mir normalerweise immer ein gutes Zeichen. Dann ging es los. Schwimmen war ohne Neopren. Habe mich eigentlich im Wasser gut ge-fühlt. Kam einige Male in ein Gerangel, was jedoch nicht so schlimm war. Als wir dann nach den ersten 750m wieder über den Pontoon rennen mussten, war Anina direkt vor mir. Hmm, dann war ich wohl doch nicht so schnell?? Auf der zweiten Runde versuchte ich meinen Rhythmus zu finden und wir konnten noch einige Athletinnen überholen. Keine Ahnung als wievielte ich aus dem Wasser kam. Jedoch wieder (wie an der EM) mit Anina und gleich vor Nicola in der 2. Gruppe. Vorne waren ungefähr 5 Frauen. Gleich wurde voll gefahren um die Führungsgruppe aufzuholen. Es war einfach nur hart und ich musste von Anfang an leiden.
Eigentlich wäre unsere Strategie gewesen, dass Anina und ich für Nicola arbeiten (in Zu-kunft wird es immer mehr der Fall sein, dass es einen Leader gibt und die Anderen dessen Helfer sind -> wie im Radsport). Doch leider konnte ich meinen Job nicht zur vollsten Zu-friedenheit ausführen. War einfach nur schon beim Mitfahren so am Limit, dass ich vorne nicht wirklich viel mithelfen konnte. Die Strecke war ja flach, doch mit den vielen Kurven wurde sie knallhart. Immer wieder antreten und immer voll Gas geben. Und es hatte auch noch viel Wind. Auf jeden Fall war ich schon nach dem Rad sehr müde und machte mich wieder einmal solala auf die Laufstrecke. Hier ist es ja sehr heiss und es hat eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit. Alle 700m hatte es eine Wasserstelle. Doch dies war beinahe zu wenig!! Bereits auf der 2. Runde hatte ich das Gefühl erbrechen zu müssen. Habe mich dann zum Glück wieder gefangen und konnte einigermassen anständig zu Ende laufen. Wurde 14.!!!!!!!!!
Einerseits ist das natürlich absolut genial in der 2. Saison und an der ersten WM, andererseits bin ich trotzdem ein bisschen enttäuscht. Auch weil ich meinen Job auf dem Rad nicht so gut erledigen konnte. Im Ziel angekommen, wurden wir alle gleich abgefangen und ins Kühle gebracht. Haben überall hin Eis bekommen und lagen wir tote Fliegen herum. Und ich erlebte eine Situation, in der ich zuvor noch nie war. Musste einfach weinen. Keine
Ahnung warum. Nicht aus Enttäuschung oder Freude. Sondern einfach wegen den Emotio-nen…. war ziemlich komisch! Nicola brach direkt nach der Ziellinie zusammen, wurde aber 3.!! Sie bekam jedoch gleich eine Infusion. Anina wurde 6. Es geht uns aber jetzt allen wie-der gut. Auch bei den U23-Männern war es hart. Nun freue ich mich auf die morgigen Elite-Rennen und darauf, dass ich die WM-Atmosphäre in Ruhe geniessen kann.
Ungefähr so erlebte ich mein erstes WM-Rennen. Am Sonntag konnten wir dann wie er-wähnt die Elite-Athleten anfeuern. Auch dies war sehr beeindruckend – vor allem der Sil-bermedaillen-Gewinn von meinem „Teamgspöndli“ Reto. Ich glaube während seinem Ziel-einlauf und der Siegerehrung wurde im Schweizer Team nicht nur eine Träne vergossen ☺! Die WM wurde mit einem kleinen Abendessen beendet. Wir waren schon ziemlich ent-täuscht, dass es nicht einmal eine Party gab!!! Schliesslich war nun meine Saison vorbei und ich konnte feiern!! Da die Athleten auf viele verschiedene Hotels in der weiten Umge-bung verteilt waren, konnten wir auch keine Privat-Party mehr organisieren.
Da machten sich Charly, Daniela, Olivier und ich mit ein paar Mexikanern auf den Weg und entdeckten eine Karaoke-Bar! So wurde der
Abend trotzdem noch recht amüsant :-p! Am Montagmorgen flogen, ausser Claude, Charly, Daniela und ich, alle weiter nach Peking an ein Weltcuprennen. Wir genossen diesen Tag mit ein paar Deutschen Triathleten an einem schönen Strand mit hohen Wellen! Am Dienstag verbrachten wir den Tag in Okazaki und am Mittwochmorgen flogen wir von Nagoya nach Tokyo. Am Mittag in Down Town To-kyo angekommen, machten wir uns mit einem Buch-Reiseführer auf den Weg. Wir wollten soviel wie möglich an diesem
Nachmittag sehen und erst wieder den letzten Zug ins Hotel nehmen. Wir liefen durch die teuerste Einkaufsmeile Tokyos, verrenkten den Hals beim bestaunen der modernen Hoch-häuser, genossen eine Schifffahrt bei Sonnenuntergang vor der Skyline und schlenderten am Abend durch den Markt. Dies war ein sehr intensiver Tag mit vielen Eindrücken! Seien es die vielen bunten Leuchtreklamen Tokyos, die grossen Massen Menschen überall, die speziellen Gerüche auf dem Markt usw.
Dies war der letzte Tag in diesem exotischen Land.
Es war eine schöne und interessante Zeit mit vielen lustigen und unvergesslichen Momen-ten!! z.B. hat unser Coach fünf 2liter-Kanister Flüssigkeit gekauft. Da diese durchsichtig war, nahm er an es sei gewöhnliches Wasser. Dies stellte sich jedoch als Fehler heraus, als Magali einen Schluck davon trank! Es war 25% Alkohol☺!
Trotz dem wichtigsten Rennen der Saison bekam ich einen kleinen Einblick in diese für mich fremde Kultur. Und ich konnte nochmals viele neue Erfahrungen sammeln, welche mir in Zukunft helfen werden.
Die Saison ist abgeschlossen und meine zwei Newcomer-Jahre, in welchen ich hauptsäch-lich „lernen“ wollte, sind nun endgültig vorbei. Nach meiner 4-wöchigen Trainingspause geht es wieder los mit dem neuen Aufbau für die Saison 2006! Meine erste Saison bei der Elite ☺!! Viel Arbeit kommt auf mich zu, doch ich bin gespannt und freue mich auf die Zukunft.