Autorin: Alexandra Bosshard
Hey Guys =)
Nun bin ich schon fast seit einem ganzen Jahr in England und da dachte ich mir, dass ich mal wieder eine ruhige Stunde dazu benutze, um Euch zu schreiben.
Es ist schon eine ganze Weile vergangen, seit ich Euch das letzte Mal geschrieben habe, aber das hat seine Gründe ;). Im Oktober wurde es in meiner alten Gastfamilie recht ungemütlich. Nach einigen angestrengten Versuchen und nachdem ich mir x-mal eingeredet hatte, dass es normal sei, dass eine Gastfamilie ihren Studenten so schlecht behandelt, konnte ich dann endlich im Februar die Familie wechseln. Mein «Leiden» hatte viel zu lange gedauert und später bereute ich, dass ich solange gewartet hatte, bis ich nach einem Wechsel gefragt hatte. Aber nach einem halben Jahr konnte ich endlich „fliehen“.
Meine neue Gastfamilie lebt etwa 6km weit weg von meiner alten Schule und da das Dorf (mit dem Namen Tetney) wohl am Ende der Welt liegt und neben langsamer Internetverbindung und teilweisem Ausfallen des Telefonnetzes auch keine einzige richtige Busverbindung hat (das Dorf ist sogar so klein, dass die meisten Häuser keine Hausnummern, dafür aber Namen haben! Das Haus meiner neuen Gastfamilie heisst „Maytime“), musste ich mir ein Bike anschaffen und nun täglich meine Kilometer zur Schule radeln. Ich hatte noch nie ein ernsthaftes Problem mit Fahrrad fahren, aber in England ist das eine ganz andere Geschichte. Da wir so nahe an der Nordseeküste leben, weht der Wind fast jeden Tag (!), bläst mich manchmal fast vom Bike und damit nicht genug! Ich habe fast immer Gegenwind. Wenn ich zur Schule fahre, dann weht er mir direkt entgegen und wenn ich am Abend nach Hause radle -GENAU DAS GLEICHE. Denn der Wind wechselt tagsüber fast immer die Richtung. Ich habe die Hoffnung auf eine windfreie Fahrt schon lange aufgegeben.
Meine neue Familie ist einfach unglaublich! Ich lebe bei einer 60jährigen Frau und ihrem 48jährigen Mann. Sie sind beide extrem nette Leute und ich kann mich wirklich glücklich schätzen mit ihnen zu leben. Auch meine Kollegen und die Leiterin des Austauschprogrammes sagen mir immer wieder, wie ich mich verändert habe, seit ich bei meiner neuen Gastfamilie lebe. Ich sei viel fröhlicher, offener und selbstbewusster, seit ich die Familie gewechselt habe. Und es stimmt: bei meiner alten Familie wurde ich sehr depressiv und scheute mich vor allem. Mein Lachen war weg. Ich konnte nie entspannen, nicht einmal in dem Haus, das eigentlich für ein Jahr mein Zuhause hätte sein sollen. Meine Leiterin versicherte mir auch, dass meine alte Gastfamilie nie mehr einen Austauschschüler bekommen würde. Das fand ich recht wichtig, denn ich möchte nicht, dass jemand das erleben muss, was ich erleben musste.
Meine neue Gastfamilie hingegen ist unglaublich! Schon nach den ersten Tagen fühlte ich mich wie ein Teil der Familie. Es ist einfach eine ganz andere Atmosphäre, als ich sie zuvor gehabt habe. Meine neue Gastfamilie liebt Tiere und neben einem verrückten Hund (mit dem Namen Chester. Er ist wirklich nicht aus der Puste zu bringen! Er rennt umher, küsst dich die ganze Zeit, stösst und nervt solange bis ich meinen Laptop von meinem Schoss nehme und den Hund darauf lasse) haben sie auch eine Voliere voll mit verschiedenen Vögeln, noch mehr Vögel in einem gewärmten Raum in der Garage, um sie vor dem kalten Winter zu beschützen, vier Hühner, eine riesige Schildkröte, die frei im Garten herumläuft, eine viel kleinere Schildkröte und Eier, die mein Gastvater mit viel Leidenschaft und einer starken Wärmelampe sorgfältig auszubrüten versucht.
Aber nun zur Leichtathletik ;). Bevor ich zu meiner neuen Familie gezogen bin, konnte ich regelmässig im Leichtathletik Club in Cleethorpes trainieren. Wie ich schon früher erwähnt hatte, liebte ich diesen Club und ihre Art zu trainieren und obwohl ich bei weitem die Jüngste war, wurde ich dennoch akzeptiert und Rowena, die Trainerin, hatte grosse Pläne mit mir, für dieses Jahr. Ich trainierte drei Mal im Club und ging auch auf Dauerläufe, wenn meine alte Gastfamilie mir gerade nicht verbot, nach draussen zu gehen, weil es zu dunkel war, wie sie fanden. Doch gegen Ende meines Aufenthaltes bei meiner alten Gastfamilie, konnte mich Claire, die mich normalerweise ins Training fuhr, nicht mehr mitnehmen, da sie selbst nicht mehr ins Training ging für eine Zeit. Da meine alte Gastfamilie mich nicht ins Training fahren wollte, ohne nicht dafür bezahlt zu werden, zahlte ich ihnen 5 Pfund für jedes Mal, dass sie mich ins Training fuhren. Doch auch so funktionierte unsere Abmachung nicht, denn an manchen Tagen, sagten sie mir einfach kurz vor dem Training ab, obwohl sie es mir eigentlich versprochen hatten.
Bald darauf kam mein Wechsel und damit auch ein viel grösseres Problem; Da ich nun im kleinen Tetney lebte, hatte ich KEINE Chance, irgendwie ins Training zu kommen. Was auch immer ich oder Rowena versuchten, es ging einfach nicht. Das hiess für mich: kein Geschwindigkeitsaufbau (was Rowena speziell mit mir trainieren wollte), kein Club mit dem ich trainieren konnte, kein Coach und keine Wettkämpfe in England. Dumm gelaufen. Aber wenigstens hatte ich nun eine super Familie.
Auf einem meiner Erkundungsdauerläufe fand ich ein recht grosses Feld auf dem man, sicher entfernt von der Strasse, herum rennen konnte. Der Boden war recht uneben, aber wenigstens hatte ich etwas zum Trainieren gefunden. Nach einer Besprechung mit Ruedi, hatte ich auch schon einen Trainingsplan, dem ich folgen konnte. Soweit so gut. Nächstes Problem: Nachdem England dieses Jahr einen recht trockenen Herbst und Winter gehabt hatte und nun zu wenig Wasser hatte und so in einer Trockenzeit war, musste das Wetter natürlich irgendwann sofort darauf antworten und die nächsten zwei Monate verbrachten wir im Regen. Es war der nasseste April, den England jemals erlebt hatte und überall gab es eine Überschwemmung nach der anderen. WELCOME IN LOVELY BRITAIN ;). Somit wurde das Trainieren auch wieder schwierig. Denn wer möchte schon auf einem offenen, überschwemmten Feld rennen, wenn es regnet und die Gefahr von Blitz und Donner besteht. Nein, eine geröstete Alex wäre wahrscheinlich recht unbrauchbar^^. Somit verbrachte ich viel Zeit mit Däumchen drehen und Krafttraining im Hause McMillan.
Aber nun…endlich…nach langer Regenzeit ist sie da: die Sonne. Zwar sieht man sie selten, aber dafür schenkt sie England wärmeres Wetter und keine ununterbrochenen Regenstürme. Ich trainiere 4 bis 5 Mal in der Woche, während ich mich auf meine A-Level Exams vorbereite. Diese Woche haben die Prüfungen auch schon angefangen und alles neigt sich dem Ende zu. Das Schuljahr und mein Erlebnis in England. Diese Woche geht’s nach London und nächste Woche werde ich noch nach Bolton reisen, um die Olympische Fackel persönlich zu sehen (a dream come true XDD) und an den Abendfeierlichkeiten teil zu nehmen. Und dann ist es schon fast vorbei. Wenn die Olympischen Spiele in voller Vorbereitung sind und alle ganz wild nach freien Plätzen suchen, um live dabei zu sein, dann packe ich auch schon meine Sachen um England zu verlassen.
But not forever 😉 …
Ich hoffe, Euch geht es allen gut und ihr geniesst die Leichtathletiksaison 2012 ALEX xxx