Oder der unsichtbare Papierdieb, ein Krimi von Alexandra Bosshard
Autorin: Fotos:
Alexandra Bosshard Laube, Meier und diverse
Der Duft von Olivenhainen und Zypressen, das Gezwitscher der Schwalben, die sich in den dunkelsten Ecken der Steinhäuser im Il Cicalino eingenistet haben, die Weiten italienischer Alleen und Strassen, all das und die ständige Aussicht auf das Bergdörfchen Massa Marittima erwarteten unser Running Team des LC Regensdorfs auch dieses Jahr wieder in ihrem Trainingslager in der Toscana.
Am 18. April machten sich eine Delegation von 38 Regensdorfer, eine so grosse Gruppe wie noch nie, auf in den Süden. Mit verschiedenen PWs und drei Bussen ging es auf die durchschnittlich achteinhalb stündige Fahrt ins Grüne. Unter uns Alteingeschworenen hatten sich dieses Jahr auch einige neue Gesichter gemischt. Denn dieses Jahr begleitete uns auch Peter und Steffis motivierte Jungmannschaft, was uns wilde Nachmittage und Flurin einen Haufen weiblicher Weggefährtinnen einbrachte.
Im Läuferparadies angekommen wurden zuallererst die Wohnungen bezogen. Wir überschwemmten mit unseren vielen Athleten dann auch gerade zwei ganze Häuserkomplexe des Cicalinos und es wimmelte überall nur so von Blackrolls, Turnschuhen und lachenden Gesichtern.
Einige dieser lachenden Gesichter wurde ein wenig trüber, als man sich nach der langen Reise und dem wenig Schlaf auf den ersten, traditionellen Willkommensdauerlauf begeben musste. Doch die schweren Beine waren bald vergessen und es herrschte eine allgemeine Vorfreude auf die kommenden Tage.
Die Laune wurde noch besser, als wir uns dann am Abend auf in Salvos kulinarisch unschlagbares Schlaraffenland machten und unseren ersten, wie immer köstlichen Viergänger geniessen durften. Dass es gerade am ersten Abend die berühmt berüchtigten Nutellatäschli gab, war gerade noch das Tüpfelchen auf dem i und wer sich doch nicht für die Blätterteigtaschen begeistern konnte, hatte wenigstens Spass daran, zuzusehen, wie Delia aus dem Nutellatäschli-Essen eine ganz neue Kunst entwickelte und sie, als ähnelten sie Pouletbrüstchen, genüsslich von der Gabel knabberte.
Am Sonntag ging es dann mit dem ersten Bahntraining schon recht früh ans Eingemachte und wir weihten die alte, von Unkraut regierte Rundbahn in Massa mit dem Getrappel unserer Nagelschuhe ein. Gas geben von Anfang an? Kein Problem. Dank Herr Bemer und Heidi, unserer lockere-Waden-Göttin, konnten wir in den Trainings rotzen was das Zeug hält.
So schreckte auch niemand vor dem Extremsten zurück und auch Alexandra stellte sich dem Feind, einer Tasse Espresso, um das Äusserste aus ihren Beinen herauszuholen und dafür vor den Hügelsprints den ganzen Morgen hibbelig im Haus herumzuspringen. Fast wie Olaf, unser selbsternannter Hausfasan, der seine Tage damit verbrachte, um unsere Häuser zu stolzieren und uns anzuschreien. Auch die Nachtruhe interessierten den rot glänzenden Vogel nicht und wer keinen Schlaf fand, konnte seinem Geschrei lauschen und sich eine romantische Liebesgeschichte ausdenken, in der unser Olaf Tag und Nacht nach seiner Helga suchte und sie schliesslich auch fand, denn in der zweiten Trainingswoche verschwand er plötzlich von der Bildfläche und wurde nie mehr gesehen…oder gehört.
Ein weiteres erwähnenswertes Training war sicherlich das 5x2km Nüchterntraining von Gian, Arlette, Steffi und Martin um halb acht in der Früh, wobei Martin der Morgen dann doch nicht so gut bekam und er schon im ersten Lauf an seine Grenzen stiess. Doch wer Martin kennt, weiss, dass er ein Krieger ist und deswegen beendete er das Training auch nicht frühzeitig sondern stellte sich der Säure in seinen Beinen.
Während die einen mit solchen Monstertrainings alles aus sich herausholten, hatten andere weniger Glück. Steven Malischke verletzte sich während eines Sprinttrainings am Oberschenkel und
konnte darauf an den weiteren Laufintervalltrainings leider nicht mehr teilnehmen.
Doch wer hat gesagt, dass wir Läufer uns nicht auch auf andere Weise Schmerzen zufügen können? Das dachte sich wohl auch Trainer Gian als er die logische Schlussfolgerung zog, dass man, wenn man zu keinem Laufintervall fähig ist, das ja auch aufs Velo verlegen könnte. Es folgte für Steven und der am Knie verletzten Alexandra eines der härtesten Intervalltraining, das sie je absolviert hatten (zumindest aus Sicht der Autorin, deren Oberschenkel sich immer noch sauer anfühlen, wenn sie nur schon an dieses Training zurückdenkt ;)). So kam wohl jeder, verletzt oder vor Gesundheit strotzend, auf seine Kosten und konnte sich ideal auf die kommende Saison vorbereiten.
In dieses strenge Trainingsprogramm schlichen sich aber auch Ausnahmen, wie zum Beispiel Delias geliebte Monte-Bamboli-Velotour oder der von Peter geführte Dauerlauf, bei dem zur Halbzeit eine halbstündige Glacepause eingeläutet wurde. Auch die Nachmittage, die wir auf oder öfters auch neben und unter der Slackline verbrachten, dürfen nicht vergessen werden. Und hatte mal jemand seinen inneren Frieden und somit auch sein Gleichgewicht gefunden, wurde er durch Delias ständige Wiederholung eines Yoghurtwerbelieds wieder aus der Fassung gebracht. Ou yeah, Delia.
Achtung! Der folgende Abschnitt ist nichts für schwache Gemüter. Wer keine starken Nerven hat, sollte deshalb den nächsten Teil überspringen und nie mehr darüber nachdenken.
Mitten in der Nacht oder auch unsichtbar am Tag schlich sich ein Schatten in die Wohnung von fünf unserer jungen Athletinnen. Sein Ziel; Verwirrung, seine Waffe; WC-Papier! Ohne gesehen zu werden, glitt er in und aus der Wohnung und stiftete Unsicherheit und Angst unter den Mädels. Wo versteckte sich nur das Papier? Und konnte man sicher sein, dass man noch welches hatte, wenn man mal musste? Trotz der tatkräftigen Mithilfe anderer, die ihnen fleissig ihre übrig gebliebenen Rollen vorbeibrachten (ausser Sämi und Marti, die 20 Euro für eine Papierrolle verlangten), konnten sich die Mädchen nie ganz in Sicherheit wiegen. Der Verschleiss von über zwei Rollen pro Tag führte sogar dazu, dass zwei der besagten, eigentlich sonst recht unschuldigen Bewohnerinnen des Hauses, Papier aus anderen Badezimmern stehlen mussten. Aus ihnen wurden kriminelle WC-Papier-Schmugglerinnen. Sie versuchten dem Verbrauch auf den Grund zu gehen, doch sie fanden keine Hinweise, keinen Schuldigen, keine Lösung des Rätsels. Zur gleichen Zeit lachte sich jedoch der unsichtbare Papierdieb in seine finsteren Papierfäustchen und wenn er nicht bald aufgehalten wird, wird er wohl auch nächstes Jahr seinen Schabernack mit unseren Mädchen treiben…
Bald kam auch schon wieder der Samstag und der grösste Teil unserer Athleten mussten sich von den Olivenbäumen, dem leckeren Essen und den angenehmen Temperaturen wieder verabschieden. Unsere Gruppe schrumpfte auf ca. ein Duzend, welches am Freitag mit Annika, am Samstag mit Ausländerin Iris und am Sonntag mit
Ausländerin Nadine einen kleinen Zustupf bekam. Auch blieben uns die ganze Familie Meier erhalten, und ebenso Moni und Becki mit ihrem kleinen Töchterchen Aline, die, als erst zwei Monate alter Knopf, ihre ersten Eindrücke der grossen, weiten Welt sammelte, ob im Kinderwagen, während Delia ihn mit Vollspeed vor sich herschob, auf der Brust von Sämi oder in den Armen von Liah. Weiter hatte sich auch das altverheiratete Ehepaar Samuel und el Presidente Marti dazu entschieden, eine zweite Woche die Gegend unsicher zu machen, indem sie sich oft gegenseitig aufzuziehen pflegten oder als verschworenes Team gegen andere (vorzüglich blonde Baslerinnen) vorgingen. Dazu kamen noch Joëlle und Alexandra, die in diesem Jahr nun schon ihre fünfte Woche Trainingslager absolvierten und Roger, der Biker, der uns gerne noch eine Woche länger unterstützte.
Nicht länger unterstützen wollte uns jedoch teilweise die Sonne. Sie tauchte immer wieder ab und überliess dem Regen für einige Stunden das Feld. Trotzdem hatten wir zu Trainingszeiten meist gutes Wetter und auch auf den Ausflügen nach St. Vincenzo, Follonica oder nach Massa auf die Stadtmauer, blieb uns die Sonne treu.
Optimales Wetter, optimale Fitness, optimale Geschwindigkeit war dann wahrscheinlich auch das Motto von Baselausländerin Nadine, die ihre 200m auf der Bahn in etwa 40 Sekunden zurücklegte und damit schon fast eine persönliche Bestzeit aufstellte. Wir gratulieren 😉
Und auch Sämi zeigte, was er drauf hat und passierte im Freitagtraining, das unter dem Motto „vom Winde verweht“ stattfand, die 100m-Marke in 10.4s. Und das obwohl ihm auf Bahn eins und zwei noch eine Tribüne entgegenlächelte, die die fleissigen Marittimer schon früh morgens für den wichtigen Fussballmatch am Nachmittag aufgestellt hatten. Zusammen mit einer gehissten EU-Flagge und einem Kübel voller weissem Pulver, mit dem sie die Linien des Fussballfeldes ausbesserten, sah die ganze Sache dann schon ziemlich professionell aus.
Einen Orden für ausserordentliche Leistungen sollte auch Iris erhalten, die nach ihrem Ermüdungsbruch hier in der Toskana ihre ersten Laufintervalltrainings abrollte und den Spagat zwischen Wetvest-Synchronpaddeln, Velointervalls und Laufbelastungen perfekt schaffte.
Die Vorbereitung auf die kommende Saison ist uns somit geglückt und ich wünsche allen einen guten Start und erfolgreiche Wettkämpfe!
Zum Schluss möchte ich noch Heidi für die vielen massierten Beine danken und auch Gian und Ruedi, die einmal wieder für ein erinnerungswürdiges Lager gesorgt haben. Danke vielmals für die Unterstützung und die super Organisation!