Autor: Gian Marco Meier
„Mädels, das war klasse!“
Am Freitagabend fand in Uster zum ersten Mal die Schweizermeisterschaften über 3000m Steeple und 10’000m im Rahmen des alljährlichen Abendmeetings statt. Wer dieses Abendmeeting von früheren Jahren kennt, wusste oder musste wissen, dass dies doch eher ein trister Rahmen für einen solchen Anlass gibt. Spätestens eine halbe Stunde nach den letzten Schüler-Staffeten und noch vor Beginn des eigentlichen Abendmeetings war bis anhin tote Hose im Stadion Buchholz. Oder anders gesagt, die einzigen Zuschauer waren die Läufer die vor oder nachher starteten.
Doch in diesem Jahr schien alles anders! Etliche Sponsoren- und VIP’s-Zelte standen direkt am Rande der Bahn, es gab schön geschmückte Podeste, eine Menge Lautsprecher und Bandenwerbung. Genau so sieht doch eine meisterschaftswürdige Anlage aus.
Bereits unzählige Kinder waren unter ohrenbetäubendem Anfeuerungsrufen an den Vorläufen für «Di schnällscht Uschtermer Schuelklass» als unser erstes Mädel auf dem Platz erschien. Und das erste war unser erfahrenstes Mädel… Arlette Meier-Hunger. Höchst nervös stand ihr eine sehr schwierige und doch so leichte Aufgabe bevor. Der Schweizermeistertitel über 3000m Steeple aus dem Jahre 2008 musste nach der 2. Babypause unbedingt wieder in ihren Besitz. Beim Studium der Startlisten und Meldezeiten schien diese Aufgabe eigentlich gut lösbar, hatte sie doch eine PB welche über 45 Sekunden besser war als die der anderen. Doch schon mancher Favorit kam aus irgendwelchen Gründen nicht zum erhofften Erfolg, dies schien Arlette ziemlich präsent zu sein.
Um 19:00 Uhr, also 20 Minuten vor dem Start von Arlette, forderte der Stadion-Speaker alle Kinder und Lehrer auf, die Bahn zu verlassen. Erfreulicherweise postierten sich hunderte von Kindern und Betreuern rund um die Bahn. Und da es unter den Lehrern anscheinend doch einige leichtathletikbegeisterte zu geben scheint, drängten sich die meisten in die Nähe des ominösen Wassergrabens…
Als der Graben mit genügend Wasser gefüllt und alle Athletinnen an der Startlinie bereitstanden, konnte die Premiere beginnen. Bereits nach wenigen Metern machte Arlette, übrigens zum ersten Mal an einer Einzelmeisterschaft auf der Bahn in den Farben des LCR startend, klar, wer die Chefin auf dem Platze ist! Mit einer Durch-
gangszeit von 3’18“ beim ersten Kilometer war sie nur unwesentlich langsamer unterwegs als bei ihrem PB-Lauf vor einer Woche in Regensburg. Überraschenderweise war Arlette aber nicht die einzige, welche sich ein so hohes Anfangstempo zutraute. Die junge Cléa Formaz blieb in ihrem ersten 3000m Steeple-Rennen mutig an den Fersen von Arlette. Bereits eine Runde später klaffte aber ein Lücke zwischen Arlette und der ersten Verfolgerin. Und spätestens ab jetzt skandierten dutzende von Schülern „Arlette, Arlette“!!!
Den Vorsprung weiterhin stark ausbauend, konnte sich Arlette an die Aussage des Nationaltrainers kurz vor dem Start erinnern: „ein Start an der Team-EM komme weiterhin in Frage“! So sparte sich Arlette noch einige Pulverkörner auf, da dieser Einsatz bereits in einer Woche stattfinden würde. Und trotzdem, mit einer Zeit von 10’24“78 und 25 Sekunden Vorsprung auf den 2. Rang gelang ihr ein sehr respektables Ergebnis. Noch vor 2 Jahren lief sie mit 10’38“ zu Ihrem ersten Schweizermeistertitel, welcher bereits damals Meisterschaftsrekord in dieser noch jungen Disziplin der Frauen bedeutete.
So durfte sich Arlette Meier-Hunger ihre zweite Einzel-Goldmedaille an einer Schweizermeisterschaft umhängen lassen, einige Presseinterviews und ihr erstes Video-Interview für www.swiss-athletics.ch geben.
Endlich gewinnt also wieder einmal eine Athletin des LC Regensdorf einen Einzel-Schweizermeistertitel. Lange hat’s gedauert, seit Katrin Lüthi 1994 Gold über 400m gewann… hoffen wir doch, dass wir auf das nächste Mal nicht mehr so lange warten müssen!
Nach dem 10’000er und den Finalläufen von «Di schnällscht Uschtermer Schuelklass» waren nun die anderen Mädels an der Reihe. Um 20 Minuten nach zehn Uhr, für die einen zu einer ungewohnt späten Zeit, startete der 1500m Lauf der Frauen. Auf der Startlinie stellten sich unter anderen Joëlle Flück, Melina Frei, Jasmin Hangartner und Steffi Trutmann bereit. Das Ziel war klar! Eine Pace von knapp über 4’40“ sollte angeschlagen werden und die Aufgaben waren verteilt. Joëlle stellte sich ihren Vereinskolleginnen als „Häschen“ oder „Häsin“ oder wie der der weibliche „Hase“ auch immer genannt sein möchte, zu Verfügung. Und die drei anderen sollten möglichst lang an Joëlle’s Fersen kleben…
Dank dem guten Tempogefühl vom „Häslein“, dem Piep-piep an dessen Handgelenk und den Zwischenzeiten alle 200m erfüllte Joëlle ihre Aufgabe perfekt.
Steffi lief ein super Rennen. Sehr mutig lief sie direkt hinter dem „Kaninchen“ und war auf Kurs von 4’40“. Erst knapp 250 Meter vor dem Ziel kam dann der Hammermann und goss Blei in ihre Beine. So galt es nun auf die Zähne beissen und kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen. Im Ziel blieb die Uhr leider erst bei 4’45“39 stehen, also 13 Hundertstelsekunden später als bei Steffi’s persönlicher Bestzeit. Der nächste 1500er soll ruhig bald kommen, Ste ist bereit für eine deutliche Steigerung!
Melina hatte ebenfalls Grosses vor. Nach ihrem guten Lauf vor einer Woche in Regensburg, als sie endlich wieder einmal 4’42“ lief, war sie äusserst optimistisch, dass ihr eine weiter Steigerung respektiver eine neu PB gelingen sollte. Doch die späte Startzeit war nichts für sie. Nach einem langen Arbeitstag war sie mental nicht in der Lage, das Tempo mehr als 800m mitzugehen. Bei der 900m Marke verabschiedete sich Melina aus dem Rennen, stieg aber nur Sekunden später und knapp vor Jasi wieder ins geschehen ein und fortan waren zwei LCR-„Häschen“ unterwegs (dass es mit der Vermehrung der Hasen rassig geht, ist ja allgemein bekannt!). Dies zeigt doch, dass im LCR ein absolut grandioser Teamgeist herrscht. „Läufts bei mir nicht, helf ich lieber dir!“
Jasmin hatte von Beginn an etwas Respekt vor dem horrenden Tempo, welches angeschlagen werden sollte. Wollte sie den anderen folgen, hätte sie bereits eine neue 1000m PB laufen müssen. So war es dann auch Jasi, die als erste vom LCR-Express abreissen lies und fortan ein sehr regelmässiges Rennen lief. Als ihr dann Melina zu Hilfe kam, begann die grosse Aufholjagd! Meter für Meter kämpfte sich Jasmin wieder an Steffi heran und verbesserte mit 4’48“70 ihre Persönliche Bestzeit um über 8 Sekunden!
„Mädels, das war klasse! Jungs, wo wart Ihr?“